wir sind das potenzial bannerIn der Dankesrede nach seiner Wiederwahl fand unser Bundespräsident Horst Köhler folgende Worte: „Dieses Land ist stark. Das haben mir die Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen fünf Jahren gezeigt. Ich bin sehr dankbar für diese Entwicklung, sie kann uns Mut machen. Wir werden uns dieser Stärke bewusst sein und sie für die Kraft unserer Gemeinschaft nutzen. In unserer Demokratie zählt jede Stimme, doch zur Erfüllung gehört auch das Gefühl: Jeder wird gebraucht, Demokratie, das sind wir alle.“

Bereits mit der Aufgabe betraut, einen Artikel für den „Taktgeber“ zu schreiben, sprangen mir die Sätze direkt ins Auge. Ändert man nur ein paar Worte, ist ganz Deutschland schnell auf die Junge Deutsche Philharmonie konzentriert. Vielleicht kann die Passage für uns so klingen: Dieses Orchester ist stark. Das haben die Mitglieder und Organisatoren in den vergangenen drei Jahrzehnten gezeigt. […] In unserem Orchester zählt jede Stimme. […] Junge Deutsche Philharmonie, das sind wir alle! Die Botschaft des Bundespräsidenten trifft gerade auch für unser Orchester zu, das sich als basisdemokratisch versteht. Hier kann sich wirklich jeder in seiner ganz eigenen Weise einbringen und alles mitgestalten.
Genau davon lebt auch der Geist des Orchesters. Nur wenn alle den Visionsprozess mittragen und auch das Gefühl haben, „dabei zu sein“, werden wir unsere ganz eigene Zukunft schreiben, die vielleicht auch völlig anders sein wird, als wir sie uns vorstellen oder planen. Sicher ist, dass ein solch offenes System, das aus Kreativität und Begeisterung von fast 200 Menschen gespeist und belebt wird, viel variabler und anpassungsfähiger ist als eingefahrene Organisationen. So sind das große Potential dieses Orchesters wir selbst. Ich glaube, wenn wir uns dessen immer bewusst sind, dann können wir ganz neue und innovative Wege gehen.
Ich glaube, gerade jetzt, in einer Zeit der wirtschaftlichen Flaute, trifft uns da eine besondere Rolle: Damit Deutschland aus dieser Situation wieder erstarkt, muss eine neue Wertegewichtung stattfinden. Ein Abwenden von Spekulationen zum Zweck der persönlichen Bereicherung hin zu den echten Werten für den Menschen. Die Musik kann hier – gerade in einem kulturellen Zentrum wie Deutschland – eine herausragende Rolle spielen, und damit natürlich auch die JDPh. Umso mehr wiederum betreffen uns dann Köhlers Worte. Es wird ein Auftrag für uns daraus: die JDPh als eine wichtige Chance für ein modernes, mutiges Deutschland. Wir können einen Impuls geben, der mit der Zahl der beteiligten Menschen immer stärker wird. Dass dies bereits beginnt, zeigt unser neuestes Projekt FREISPIEL.
Immer mehr Orchestermitglieder beteiligen sich hier bei der Gestaltung völlig neuer Kunstformen. Musik wird in Verbindung mit anderen Disziplinen neue Räume aufzeigen, den Alltag aller Beteiligten (auch der Musiker) durchbrechen und die Menschen noch tiefer berühren. Gerade in unserer Zeit wird der Stellenwert solcher Momente wieder steigen, da man Kraft und Anregungen zum Weg aus der Krise nicht nur aus der materiellen und wissenschaftlich durchdachten Sphäre schöpfen kann.

Als neues Vorstandsmitglied bin ich seit dem Frühjahr noch stärker an diesen Entwicklungen des Orchesters und an wichtigen Entscheidungen beteiligt. Das bedeutet, Antworten auf viele Fragen zu suchen:

Wie komme ich noch mal vom Hauptbahnhof zur Schwedlerstraße? 
Wer kann und soll uns 2012 dirigieren?
Was sind eigentlich innovative Programme? 
Wo überschneiden sich meine Ziele und die des Orchesters? 
Wie kann die Musik im Mittelpunkt unserer Arbeit bleiben?
Oder: Was ist überhaupt die Rechtfertigung des ganzen Aufwandes?

Fragen dieser Art beschäftigen wahrscheinlich alle Musiker der Jungen Deutschen Philharmonie in ähnlicher Form. Mit der Vorstandschaft sehe ich nun für mich eine Möglichkeit, mich ihnen noch intensiver zu widmen und vielleicht noch mehr zur Beantwortung beizutragen. Zum Glück ist so manche Frage auch mit einem kurzen Anruf gelöst … Doch bleibt es für uns alle wichtig, weiterhin nachzufragen: Sind wir auf dem richtigen Weg? – Ich glaube es und würde mich gleichzeitig freuen, andere Meinungen oder Anregungen von Mitgliedern zu erfahren. Genau das sind dann die Ideen und Einbringungen aus der Gemeinschaft heraus. Das ist ein Schritt weiter nach bestandener Probearbeitsphase, ein Schritt zu einer aktiven Demokratie. Und das ist dann tatsächlich Junge Deutsche Philharmonie!


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Manuel Eberle / Trompete, Vorstand der JDPh