Es muss schon ein ungewöhnlicher Anblick gewesen sein: fünf Blechbläser musizieren in feinem schwarzem Anzug und gelben Gummistiefeln in einem der renommiertesten deutschen Kunstmuseen. Und dann mit solch einem Programm! Als mich Trompeter Manuel Eberle anrief, war ich zunächst skeptisch. Das avantgardistische Brass-Quintett von Anders Hillborg kombiniert mit Fragmenten aus der Suite Amavi des Barockkomponisten Michael East, dazu ein wenig Improvisation, und das alles in gelben Gummistiefeln? Aber ich dachte mir, es könnte eine interessante Herausforderung werden!
Also trafen wir – fünf Blechbläser der Jungen Deutschen Philharmonie – uns zwei Monate später zu den Proben. Hier erfuhr ich dann auch die Hintergründe: Wir sollten den musikalischen Startschuss zum Erweiterungsbau des Städel Museums geben, den „Aufbruch“ in die Moderne also akustisch vollziehen. Die Sache wurde spannend. Am Vorabend des Festes hatten wir Gelegenheit, außerhalb der Öffnungszeiten durch den Hintereingang in das menschenleere Museum zu gelangen und schon mal die Atmosphäre des Hauses zu erspüren. Früh am nächsten Morgen kamen wir dort wieder zusammen, um unsere „Spatenstich-Ausrüstung“ abzuholen. Wir zogen die Gummistiefel an und begaben uns zum feierlichen Festakt. Der erste Teil fand im Metzler- Saal statt, wo sich hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur versammelt hatten. Petra Roth, Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt, ließ sich in ihrer Rede von den schwarz besohlten gelben Gummistiefeln zu einer Vision zukünftiger politischer Koalitionen anregen. Wir konnten dem mit der Golden Section-Suite von Jim Parker eine musikalische Vision entgegensetzen. Prof. Dr. Nikolaus Schweickart, Vorsitzender der Administration des Städel-Museums, wies auf die überragende Bedeutung des Hauses hin, in dem 700 Jahre Kunstgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart in herausragender Weise an einem Ort erfahrbar werden. Mir wurde noch einmal bewusst, wie perfekt unsere Kombination aus hochmodernem Brass-Quintett und barocker Suite – die ich anfangs so skeptisch gesehen hatte – das Projekt des modernen Erweiterungsbaus für diese wertvolle Kunstsammlung widerspiegelte.
Danach ging es mit dem Blues Just a closer walk with thee, den wir bei Canadian Brass ausgeliehen hatten, nach draußen, wo 13 auserwählte Vertreter zum symbolischen Spatenstich ausholten. Die entscheidende Tat des Tages war vollbracht. Das Spatenstichfest war nun für alle Besucher offiziell eröffnet, und es folgte unser Konzert in zwei Sälen des Museums. Im italienischen Saal gab’s zunächst Musik von Vivaldi und ein Rondeau von Jean-Joseph Mouret. Dann liefen wir improvisierend zum Beckmann- Saal, wo wir die symbolhafte Kombination aus Brass-Quintett und Amavi-Suite wiederholten. Dieser Teil war nicht jedermann gleich zugänglich, die mitreißende Musik von Jim Parkers Golden Section brachte das Publikum aber bald wieder auf unsere Seite. Friedrich von Metzler, führendes Mitglied des Partnerkreises, war rundum begeistert, Direktor Max Hollein bedankte sich persönlich bei uns allen, und auch den anderen Verantwortlichen muss es wohl gut gefallen haben, denn wir wurden spontan eingeladen, auf der Eröffnung des Erweiterungsbaus wieder zu spielen. Natürlich kommen wir gerne wieder, aber nur in Gummistiefeln!
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Benedikt Euler / Horn