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Hast du besonders starke und prägende musikalische Erinnerungen?

Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich das Violinkonzert von Sibelius hörte, ein großes Erlebnis, das mich damals sehr inspirierte. Ich hatte gerade angefangen, Geige zu spielen. Ich war vielleicht acht oder neun Jahre alt und spürte zum ersten Mal die Gewissheit, dass es das ist, was ich tun möchte: Geige spielen. Ich erinnere ich mich auch an das erste Mal, als ich LPs mit Beethoven-Sinfonien hörte, oder etwas später, mit vierzehn oder fünfzehn Jahren, als ich im Radio das 8. Streichquartett von Schostakowitsch hörte. Das war für mich ein entscheidender Moment, in dem ich begriffen habe: Das ist Musik, die erst vor Kurzem geschrieben wurde! Ich begann, mich für zeitgenössische Musik zu interessieren, und wollte alles hören, was Schostakowitsch je geschrieben hat. Ich hörte Bartók und Berg. Diese Hörerlebnisse führten dazu, dass ich mich eine Zeit lang mit Komposition beschäftigte und dies bei Einojuhani Rautavaara studierte, einem der großen finnischen Komponisten seiner Generation. Aber dann kamen auch die Erfahrungen auf der Bühne hinzu, sodass ich letztlich lieber Interpret als Komponist sein wollte. Als ich in eurem Alter war, so um die zwanzig Jahre, war ich Mitglied des Avanti! Chamber Orchestra. Da gaben wir Konzerte mit unseren eigenen Ideen, außerhalb der Musikhochschule, der Sibelius-Akademie, mit jungen Musikern und Komponisten und jungen Dirigenten, die noch studierten. Wir entwickelten und organisierten dieses Orchester von Grund auf selbst. Diese Auftritte waren eine große Inspiration für mein gesamtes Leben als Musiker. Das waren große Momente.

Welche Erinnerungen hast du an die Stücke, die wir zusammen spielen werden, an Bartóks Mandarin und an Sibelius’ 2. Sinfonie?

Der Unterschied zwischen beiden ist, dass ich den Mandarin noch nie dirigiert habe. Ich kenne die Musik zwar gut und war schon immer ein großer Fan von Bartók, aber es wird eine neue Erfahrung für mich sein. Hingegen habe ich die 2. Sinfonie von Sibelius schon Hunderte von Malen dirigiert. Und gespielt habe ich sie auch, auch schon ganz früh, als ich Konzertmeister im Sinfonieorchester der Akademie war. Auch diese Sibelius-Sinfonie gehört zu den ersten Stücken, die ich schon als Kind gehört habe, und sie ist seither immer ein wichtiges Stück für mich gewesen.

Aber sie wird auch so häufig gespielt – sie ist Sibelius’ meistgespielte Sinfonie. Als Dirigent ist dies für mich eine Herausforderung: Ich möchte mich von bestimmten Traditionen befreien, wie man dieses Stück spielt und wie man es manchmal dramatisiert. Es ist ein gefährliches Stück, denn man muss die große Struktur und den großen Bogen richtig hinbekommen, um es in einer Art aufbauen zu können, die ehrlich ist und nicht übermäßig pathetisch. Das ist die Gefahr bei allen Stücken, die einen so euphorischen Schluss wie Sibelius’ 2. Sinfonie haben.

Wie würdest du selbst deinen Dirigierstil beschreiben?

Ich bin definitiv ein Musiker-Dirigent. Ich komme aus dem Orchester, in dem ich gespielt habe und das ich als Konzertmeister angeleitet habe. Musiker beschreiben mich oft als einen Dirigenten, der den Musikern Vertrauen entgegenbringt und Freiheit gibt. Das ist wahrscheinlich richtig, denn die beste Erfahrung, die ich als Dirigent einem Musiker vermitteln kann, ist, dass jeder das Gefühl hat, ein wichtiger Teil des Ganzen zu sein, und nicht, dass es einen Dirigenten gibt, der von uns verlangt, dies oder jenes zu tun. Ich trage als Dirigent zwar die Verantwortung, ich habe die Kontrolle über das Ganze. Es ist aber eher so, als wäre man Torwart bei einem Fußballspiel: Man hat den Überblick über das, was auf dem Feld passiert. Man weiß, wie sich die Spieler platzieren müssen und wie man diesen Prozess unterstützen kann. Aber letztlich ist auch der Dirigent ein Teil des Ganzen. Das ist wichtig für mich, egal mit wem ich spiele, egal ob es ein Jugendorchester oder das Chicago Symphony Orchestra ist. Es geht immer darum, dass mir die Musiker vertrauen und ich ihnen.

Worauf freust du dich bei der Zusammenarbeit mit uns?

Nun, ich habe viele großartige Dinge über euch gehört, und so bin ich gespannt, ob diese Geschichten auch wahr sind. Wenn wir gleich auf hohem Niveau miteinander arbeiten können, ist das natürlich großartig, denn dann haben wir viel Zeit, um auf Details der Interpretation einzugehen. Dann können wir am Klang arbeiten und uns mit den verschiedenen Stilen der Komponisten wirklich auseinandersetzen. Manchmal hat man in der professionellen Orchesterwelt zu wenig Zeit, eine tiefere Auseinandersetzung herbeizuführen, selbst bei den besten Orchestern. Das erwarte ich bei euch nicht, und darauf freue ich mich.

Nina Paul, Violine, und Björn Gard, Violoncello
beide Mitglied im Vorstand